Heute kreisen die Mauer- und Alpensegler nur spärlich in Wasen im Emmental BE, es nieselt und regnet abwechslungsweise. Bei schönem Wetter wäre das ganz anders. «Wie in einem Bienenhaus geht es dann zu und her», lacht Martin Leuenberger, Präsident des NV Wasen. Er hat allen Grund zur Freude. Zusammen mit Stefan Finger und Matthias Flückiger ist er «schuld», dass der Himmel über Wasen voller Vögel ist. Alleine am Kirchturm ziehen 70 Mauer- und Alpenseglerpaare ihre Jungen auf.
Angefangen hat alles mit dem Grossvater. Von ihm hat Martin Leuenberger die Liebe zur Natur und zu den Vögeln mitbekommen. Dieser war, wie er selber heute auch, Friedhofsgärtner im Dorf und vermittelte seinem Enkel viel Wissen über die Vorgänge in der Natur.
In der 8. Klasse hatte Martin dann sein Schlüsselerlebnis. Während dem Unterricht konnte er von seinem Fensterplatz aus beobachten, wie ein Mauerseglerpaar in den Storen der damaligen Tabakfabrik vis-à-vis ein Nest baute. Da das Nest immer wieder zerstört wurde, wenn die Arbeiter die Storen verstellten, ergriff Martin die Initiative. Zusammen mit Stefan und Matthias eilten sie den Mauerseglern zu Hilfe. Sie durften am Gebäude der Fabrik einen ersten Nistkasten für die Vögel montieren. Besorgt hatte ihn Stefan Finger, damals 12-jährig.
Von 1 auf 1000
Bei diesem einen Nistkasten sollte es nicht bleiben. Acht Jahre später betreuten die drei «Angefressenen», wie sie sich selber bezeichnen, im Dorf gegen 600 Nistkästen für Segler und andere Vögel. Ihre Faszination für den Mauersegler teilten sie in öffentlichen Vorträgen, zu denen sie jeweils mit dem Töffli anreisten.
Auf dem Estrich der ehemaligen Tabakfabrik wachsen jedes Jahr Mauersegler heran. Dank der von Stefan Finger entwickelten Nestmulde können die Altvögel früh mit der Brut beginnen. © SVS
An einem dieser Vorträge war 1992 Martin Müller, der damalige Präsident des Berner Vogelschutzes BVS. Er schlug den drei Burschen vor, einen Naturschutzverein zu gründen und als Sektion dem BVS beizutreten; das würde sie entlasten, auch finanziell. Bereits vier Monate später, am 18. März 1993, fand mit Unterstützung des BVS und des SVS/BirdLife Schweiz die Gründungsversammlung des NV Wasen statt. 230 Mitglieder und Gönner traten dem Verein bei.
Diese Zahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht gross verändert. Auf die besonders aktiven Mitglieder kann der Vorstand zählen, wenn es etwas zu tun gibt. Neben den Nistkästen für die Segler baut und betreut der NV Wasen Nistkästen für Turmfalke, Wasseramsel, Gartenrotschwanz und Co., insgesamt rund 1000 Kästen. Die Segler-Nistkästen haben Stefan Finger und seine beiden Freunde ständig weiterentwickelt. Ein Deckel aus Glas erlaubt es, in den Kasten zu sehen, ohne ihn zu öffnen. Ist die Brutzeit der Segler vorbei, wird das Einflugloch mit einer Platte verschlossen, damit sich die Spatzen und Stare nicht breit machen. Zu den Mauerseglern gesellten sich 1998 auch erstmals die Alpensegler. Für sie hat Martin die Einfluglöcher der Nistkästen vergrössert.
Stefan hat zudem eine Nestmulde entwickelt, um den Vögeln das aufwändige Sammeln des Nistmaterials mindestens teilweise abzunehmen. War die erste Mulde noch aus Papier und Kleister, ist sie heute ein hochentwickeltes Teil aus Holz und Sägemehl. Zur Herstellung dieser Nistmulden hat Stefan, gelernter Schmied und Schlosser, eigens eine Maschine gebaut.
Flugshow mit Festbetrieb
Der NV Wasen betreut neben den Nistkästen auch Feuchtbiotope und erstellt Trockenmauern für die Eidechsen. Mit der richtigen Pflege der beiden Vereinshecken konnte der Neuntöter wieder angesiedelt werden. Als neues Projekt sollen auf dem Land, das Stefan Finger als Landwirt pachtet, weitere Hecken gepflanzt werden.
Das grosse Highlight des Vereinsjahres sind sicher die Zugvogeltage EuroBirdwatch, die der SVS/BirdLife Schweiz jedes Jahr in der Schweiz koordiniert. Dieses Jahr führt der NV Wasen den Grossanlass bereits zum 18. Mal durch. Im Vereinsheft, das einmal jährlich erscheint und vor den Zugvogeltagen gratis an alle Haushalte in Wasen verteilt wird, ruft der Verein zum Besuch auf.
An schöhnen Sommertagen ist der Kirchturm von Wasen i.E. umgeben von Mauer- und Alpenseglern. © Andreas Krähenbühl
Bis zu 500 Personen pilgern jeweils am ersten Oktoberwochenende auf die Hinterarnialp. Zu sehen gibt es dort nicht nur vorbeiziehende Vögel. Eine Ausstellung in der Arnischüür zu einem aktuellen Thema und eine grosse Festwirtschaft locken jedes Jahr Interessierte, aber auch zufällig vorbeikommende Wandersleute an. Auch das Schweizer Fernsehen berichtete schon zweimal direkt von der Hinterarnialp – beste Werbung für den Verein und für die Sache, den Schutz der Zugvögel.
Die Liebe zur Natur weitergeben
So wie der Grossvater sein Wissen um die Vögel und die Natur an Martin weitergegeben hat, so geben auch er und seine beiden Freunde ihr Wissen weiter. Die selbst entwickelten Segler-Nistkästen sind kein Betriebsgeheimnis. «Das Risiko ist dann halt, dass einer kommt, der es noch besser macht», schmunzelt Stefan Finger.
Für die Schulen organisiert der Verein jährlich ein bis zwei Anlässe und beteiligt sich am Ferienpass. So können Schulklassen bei der Turmfalkenberingung dabei sein, den Mauerseglern ins Nest schauen oder an einem Waldtag viel über die Natur erfahren. Wer weiss, vielleicht ist unter den heutigen Schulkindern auch das eine oder andere, das so die Liebe zur Natur entdeckt und sich später mit vollem Einsatz für den Erhalt unserer Biodiversität engagiert.
Lisa Bose und Dr. Daniela Pauli sind Redaktorinnen von Ornis.
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