BirdLife Schweiz steht kurz davor, zusammen mit Pusch und anderen Organisationen ein breit angelegtes Gemeinschaftsprojekt zu lancieren. Ziel wird es sein, neue naturnahe Flächen im Siedlungsraum zu schaffen, wobei jede und jeder mitmachen kann. Speziell im Fokus stehen die Hauseigentümerinnen und -eigentümer; aber auch andere Akteure wie Mieterinnen, Gemeinden, Gärtner, Hauswarte und Planerinnen, die mit diversen Handlungen Einfluss nehmen können, sind angesprochen. Mehr zur Kampagne werden Sie in der nächsten Ausgabe von Ornis erfahren.
Zwei besonders aktive Menschen, die im Siedlungsraum schon viel für die Natur bewegt haben, sind Ueli Rybi aus Pfäffikon (ZH) und Roger Meier aus Mellikon (AG). Auf Rundgängen zu ihren selbst erdachten und erstellten Naturoasen geben sie uns Einblick in ihr Schaffen. Vorab: Es ist klar, dass nicht alle die Möglichkeit haben, so viel für die Natur zu erreichen. Dennoch inspirieren die beiden Naturliebhaber vielleicht den einen oder die andere, mit einem Projekt zu beginnen oder zumindest erste Schritte in Richtung eines etwas naturnäheren und vielseitigen Siedlungsraumes zu machen.
Beispiel 1: Ueli Rybis «Vernetzungsprojekt»
Der Künstler Ueli Rybi wohnt in Pfäffikon (ZH) und verfolgt seit Jahren ein grosses Ziel: Er möchte die Naturflächen des Pfäffikersees mit dem ausserhalb des Dorfes liegenden Naturschutzgebiet Torfried verbinden. Der im Aufbau begriffene «Grüngürtel» zieht sich durch das Landwirtschafts- und das Siedlungsgebiet inklusive seinem eigenen grossen Garten, dem Schulareal und dem Friedhof.
Bäume sind Rybi besonders wichtig. «Ich pflanze Bäume fürs dritte Jahrtausend», meint der engagierte Naturschützer, der auch Mitglied des lokalen BirdLife-Naturschutzvereins ist. Er nutzt jede Gelegenheit, um Bäume zu pflanzen, und versucht stets, alte zu erhalten. Schon 1993 legte er eine Allee mit 25 Apfel- und Kirschbäumen entlang der Strasse zum Friedhof an, heute eine wichtige Vernetzungsachse für viele Tiere. 2001 initiierte er eine Baumpflanzaktion mit 50 Laubbäumen, verteilt aufs gesamte Gemeindegebiet. Einen alten Obstgarten der Schule konnte er über die Jahre erhalten und das Fällen einer Baumreihe für ein kurzzeitiges Schulprovisorium verhindern. Den Baumbestand der Umgebung ergänzt er laufend durch Jungbäume, Steinhaufen, Holzbeigen und Totholz-Elemente.
«Ich pflanze Bäume fürs dritte Jahrtausend.»
Ueli Rybi, Pfäffikon (ZH)
«Um bestehende Naturelemente zu erhalten, muss man stets wachsam gegenüber Veränderungen sein», sagt Ueli Rybi. «Dabei versuche ich möglichst viele sich bietende Möglichkeiten zu nutzen.» So nutzte er ein Quartierplanverfahren zugunsten der Natur: Gemeinsam mit dem Vorbesitzer des betroffenen Landes setzte er sich erfolgreich dafür ein, dass zwei Hektaren Bau- zu Landwirtschaftszone umgezont und so langfristig für die Natur und Erholung gesichert wurden.
Eine nächste Gelegenheit bot sich, als die Gemeinde einen Weg auflöste: Sie entfernte den Teer und wollte die Fläche mit Humus auffüllen. Dank Rybis rechtzeitigem Eingreifen liess sie den Humus weg, und der Baggerfahrer modellierte stattdessen den bestehenden Kieskoffer und zugeführtes Wandkies an das angrenzende Terrain an. So entstand eine Ruderalfläche mit Thymian und Wundklee, eingebettet in eine grossflächigen Blumenwiese. In einem ehemals mit Brombeeren überwucherten Bereich seines Gartens fuhr 2007 der Bagger auf, und es entstand ein grösserer Weiher. Das Kiesufer wurde mit Seggen und Blutweiderich bepflanzt; darüber hinaus gedeihen rund um den Teich nun wärmeliebende Pflanzen wie Färberwaid, Natternkopf, Lein oder Kuhschelle. Schon längst haben diverse Amphibien das Gewässer entdeckt.
Beispiele von Ueli Rybis Tätigkeit: Kleinteich in Ueli Rybis Garten, renaturierte Fläche im Siedlungsraum, Baumpflanzaktion nahe Ueli Rybis Haus. © Diana Marti; Ueli Rybi
Die Tierwelt nimmt aber auch andere Strukturen rund ums Wohnhaus an. In der einheimischen Wildhecke mit vielen Dornensträuchern finden diverse Vögel im Frühling Brutmöglichkeiten und im Herbst verschiedene Beeren als Nahrungsquelle. Vor einigen Jahren zog eine Fuchsfamilie im alten Hühnerhaus ein. Und eine 20 Jahre alte ungenutzte Holzbeige wird von unzähligen Wildbienen als Brutplatz genutzt, während davor die Ameisenlöwen in ihren Mulden auf hineinfallende Ameisen warten.
Bezüglich Pflege gilt das Motto «Nur so viel wie nötig». So werden nur die Flächen regelmässig gemäht, die begangen werden müssen; der unversiegelte Weg zum Haus ist begrünt, abgestorbene Bäume dürfen stehenbleiben, und aus Gehölzrückschnitten werden Asthaufen erstellt.
Der versierte Ornithologe entdeckt immer wieder Besonderheiten rund um sein Haus. In der alten Scheune brütet regelmässig ein Turmfalke, auf dem Zug besuchten schon Ortolan und Wiedehopf den Garten und auch die Nachtigall hat sich bereits vernehmen lassen. Es ist zu hoffen, dass Rybis Errungenschaften zukünftigen Generationen erhalten bleiben.
Teiche, Blumenwiesen, Hecken, alte Bäume und Kleinstrukturen: Roger Meiers Garten ist ein Naturparadies und «Förderprojekt» für diverse Arten. © Noah Meier/creaNatira GmbH
Beispiel 2: Roger Meiers privates Ried
Schon als Junge war Roger Meier fasziniert von den Unken und Kröten in Mutters Gemüsegarten, im beschaulichen Mellikon am Rhein im Kanton Aargau. Mit der Aufgabe des Gartens und der intensivierten Pflege rundum verschwanden die meisten Tiere in den letzten Jahren. Vor vier Jahren konnte Roger Meier jedoch die 2200 m2 übernehmen und sich einen Bubentraum erfüllen: Er plante eine Naturoase speziell für Amphibien und verwirklichte damit «s’Meierliried».
Die Hauptzielarten waren von Anfang an klar: Geburtshelferkröte, Gelbbauchunke und Kreuzkröte. «Alle gab es früher im Garten, und sie kommen im nahen Steinbruch noch vor», sagt Roger Meier. Die Geburtshelferkröte liebt Steine, um sich zu verkriechen und nutzt gerne tiefe Weiher, weil die Larven oft im Wasser überwintern. Daher plante Roger Meier einen Teich von rund einem Meter Tiefe und verbaute tonnenweise Steine. Gelbbauchunken und Kreuzkröten wiederum brauchen flache Kleingewässer, die zwischendurch auch mal austrocknen. Deshalb gibt es nun im «Meierliried» fünf verschieden grosse und tiefe Weiher. Da sich die Kreuzkröte gerne im Sand verbuddelt, plante Meier zwei Lastwagenladungen Sand mit ein, der auch bei Wildbienen als Nistplatz beliebt ist.
«Wenn die Gelegenheit da ist, muss man sie nutzen.»
Roger Meier, Mellikon (AG)
«Der spinnt doch», dachten sich wohl einige Nachbarn, und einige wenige äusserten Bedenken bezüglich nächtlichen Quakens, Kröten im eigenen Zierteich und möglicher Wertverminderung ihres Grundstückes. Ein paar beruhigende und klärende Gespräche reichten aber aus, um den Nachbarsfrieden wiederherzustellen.
Projektes ist es wichtig, dass man die gesetzlichen Vorgaben genau kennt und sie sich auch zunutze machen kann», sagt Roger Meier. Das «Meierliried» liegt am Siedlungsrand auf landwirtschaftlicher Nutzfläche. Hier gilt, dass nur maximal 100 m2 grosse Weiher pro Parzelle bewilligt werden und eine Wildhecke einen Abstand von drei Metern zur landwirtschaftlichen Nachbarsparzelle braucht. Aus diesem Grund liess Meier die Kleinparzellierung seiner Fläche absichtlich bestehen, damit er unkompliziert fünf Weiher realisieren konnte. Und um sich auf der einen Seite vom intensiv genutzten angrenzenden Landwirtschaftsland abzugrenzen, legte er eine Benjeshecke aus aufgeschichteten Ästen und Zweigen entlang der Grenze an, denn diese gilt als Totholzelement und ist ohne Einhaltung von Grenzabständen möglich.
Roger Meiers Garten ist ein Naturparadies und «Förderprojekt» für diverse Arten, wie zum Beispiel Rauchschwalbe oder Kirschprachtkäfer. © Roger Meier; Noah Meier/creaNatira GmbH
«Wenn die Gelegenheit da ist, muss man sie nutzen», ist auch Roger Meiers Credo. Per Zufall sah er bei einem Bauernhof einen zu entsorgenden Baumstrunk – für einen kleinen Betrag lieferte der Landwirt diesen zu ihm. Zudem spendete der Steinbruch die Hälfte der gelieferten Steine, weil er sowieso Öko-Ausgleich leisten muss, eine typische Win-win-Situation.
Die Naturoase besteht aber nicht nur aus Weihern, Steinen und Sand. Es stehen noch einzelne Bäume im Garten, die weit über 100 Jahre alt sind. Sechs Hochstammobstbäume und 200 Heckenpflanzen wurden zusätzlich gepflanzt. Im hinteren Teil des Gartens ist es für diverse Kleintiere besonders paradiesisch: Asthaufen, geschichtete Dachziegel, hohe Vegetation und ein altes Gewächshaus bieten unendlich viele Versteck- und Überwinterungsmöglichkeiten. Noch in Planung ist eine spezielle Käferecke mit alten Eichen- und Buchenstrünken; damit soll die bestehende Hirschkäferpopulation gefördert werden.
Es scheint, als hätten die Zielarten schon lange darauf gewartet: Geburtshelferkröten und Gelbbauchunken waren schon im ersten Jahr zurück! «Ich hätte nie gedacht, dass die Besiedlung und vor allem die Fortpflanzung durch die Zielarten so schnell erfolgt», meint Roger Meier stolz. Schon über 50 Vogel- und 17 Libellenarten besuchten die Naturoase. Ein Waldkauz sitzt oft auf dem alten Obstbaum, und der Eisvogel kommt regelmässig vorbei, um Molchlarven zu jagen.
Das Leuchten in den Augen
Sowohl Ueli Rybi als auch Roger Meier erzählen beide, dass sie in gewissen Situationen eine dicke Haut brauchen: Sie mussten teils mit all ihrer Energie für ihre Ideen einstehen. Doch wer das Leuchten in ihren Augen sieht, wenn sie über ihre Naturoasen berichten, der weiss: Es lohnt sich – nicht nur für die Biodiversität, sondern auch für sich selbst. Denn: Die Wunder der Natur und die unglaubliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren direkt vor der eigenen Haustüre beobachten zu können, macht glücklich, erfüllt und lässt uns spüren, dass wir Teil eines Ganzen sind.
Diana Marti ist Projektleiterin Siedlungsraum bei BirdLife Schweiz.
Voller Einsatz für die Vielfalt