Viel los im Moos

BirdLife-Artenförderungsprojekt im Grossen Moos. Grauammer, Kiebitz, Turteltaube, Dorngrasmücke und Steinkauz sind national prioritäre Kulturlandarten, die allesamt auf der Roten Liste stehen. Für sie startete BirdLife Schweiz 2015 im Grossen Moos ein umfangreiches Artenförderungsprojekt. Knapp ein Jahrzehnt später blicken wir zurück und in die Zukunft.


Ein zarter Nebelschleier hüllt an diesem Aprilmorgen die Felder bei Ins (BE) ein, während sich die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont tasten. Aus der nahegelegenen Kiebitzkolonie sind die charakteristischen Balzrufe zu hören, die sich mit dem metallisch klirrenden Gesang der Grauammer vermischen. Diese Harmonie existierte hier vor gut zehn Jahren noch nicht. Der starke Rückgang von Kiebitz, Grauammer und weiteren Kulturlandarten über mehrere Jahrzehnte war denn auch ein wichtiger Auslöser für das BirdLife-Artenförderungsprojekt im Grossen Moos (siehe Ornis 5/17).

Inzwischen ist die Kiebitzkolonie vom Gelände der Strafanstalt Bellechasse nach Ins umgezogen. Innerhalb weniger Jahre hat sie sich zu einer der drei grössten Kiebitzkolonien der Schweiz gemausert. Der Weg dahin war nicht immer einfach. So stiessen sowohl die Kolonie als auch die Fördermassnahmen wie z. B. die teilweise Wiedervernässung der Felder nicht bei allen umliegenden Bewirtschaftenden auf Gegenliebe. Seit 2020 pflegt BirdLife Schweiz aber eine grossartige Zusammenarbeit mit dem Landwirten Andreas Gugger aus Ins, der 2,5 Hektaren seiner Ackerflächen für die Kiebitzförderung zur Verfügung stellt. Im Jahr 2023 zählte die Kolonie im Grossen Moos insgesamt 37 Nester. Dieser Höhenflug wäre ohne die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Bewirtschafter sowie der Unterstützung des Kantons Bern nicht möglich gewesen. 2024 zeichnet sich ein etwas schlechteres Brutjahr ab. Es braucht noch viel Einsatz, bis die Kiebitzkolonie als langfristig gesichert gelten kann.

Nach einem Pächterwechsel auf dem Kantonsland, das direkt an die Parzelle von Andreas Gugger grenzt, zählt die Kiebitzförderfläche in Ins seit diesem Jahr sogar sechs Hektaren. Dies erlaubt es, diverse Massnahmen auf einer zusammenhängenden Fläche zugunsten der Kiebitze zu kombinieren und ein kleinräumiges Vegetationsmosaik zu schaffen – eine in der Schweiz einmalige Gelegenheit.

Vier Helfer auf Hufen

Diverse Projekte in Deutschland wie auch im BirdLife-Naturzentrum Neeracherried zeigen, dass eine Kombination von Wiedervernässung, offenem (nacktem) Boden und Beweidung durch sogenannte Robustrassen wie Schottische Hochlandrinder ein bedeutender Erfolgsfaktor in der Kiebitzförderung ist.

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Im Grossen Moos wird erstmals in der Schweiz eine Kiebitzförderfläche mit Schottischen Hochlandrindern beweidet. © BirdLife Schweiz/Lucas Lombardo

Die Wiedervernässung sorgt dafür, dass die Kiebitze und insbesondere die Küken innerhalb des Schutzzauns nach Nahrung suchen können. Auf dem offenen Boden können sie ihre Nestmulden drehen und ihre Eier ablegen, während die Beweidung hilft, die optimale Vegetationshöhe zu erhalten. Dies ist wichtig, damit die Kiebitze ihre Bruten nicht aufgeben oder abwandern und gezwungen sind, ausserhalb des Schutzzauns nach Nahrung zu suchen. Zudem entstehen durch die Hochlandrinder offene Bodenstellen, die der Nahrungssuche und für Zweit- oder Ersatzbruten dienen können.

Seit diesem Jahr wird in Ins eine spezifische Kiebitzförderfläche mit Schottischen Hochlandrindern beweidet. Dabei kommt ein Koppelsystem zum Einsatz, das eine gewisse Steuerung der Tiere erlaubt, um gezielt Bereiche innerhalb der Kiebitzförderfläche zu beweiden und eine optimale Vegetationshöhe zu schaffen. Die stetige Beweidung während der Vegetationszeit führt zu einem geringeren Pflegebedarf und in der Folge auch zu weniger Störungen, was den Bruterfolg hoffentlich positiv beeinflussen wird.

Herausforderungen in der Krümmi

Die Kiebitzförderung ist nur ein Teil des Gesamtprojekts von BirdLife im Grossen Moos. Aktiv ist BirdLife Schweiz z. B. auch in der Krümmi bei Müntschemier (BE). Manche können sich vielleicht noch erinnern, wie dieses Gebiet anfangs der 2000er-Jahre als neu geschaffenes Biotop aussah: Ruderalflächen, unbewachsene Uferstellen, kaum Schilf. Dies machte die Krümmi für einige Jahre zu einem Hotspot für diverse Limikolenarten, die auf ihren Zugwegen auf Rastmöglichkeiten angewiesen sind. Doch auch Amphibien wie die stark gefährdete Kreuzkröte profitierten, und so wurde die Krümmi zu einem Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung.

Die fortschreitende Sukzession führte in den letzten 20 Jahren jedoch dazu, dass das Gebiet heute komplett anders aussieht und wie alle Feuchtgebiete pflegeintensiv und in der Konsequenz teuer zu unterhalten ist. Durch die Sukzession verschwand auch das optimale Habitat für die Kreuzkröte, und in den Gewässern leben heute Fische, die als Fressfeinde von Amphibienlarven unerwünscht sind.

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Dem Grossen Moos kommt schweizweit eine entscheidende Bedeutung für den Grauammerbestand zu. © BirdLife Schweiz/Lucas Lombardo

Aufgrund dieser Herausforderungen hat BirdLife Schweiz 2021 im Rahmen des Artenförderungsprojekts im Grossen Moos den Gebietsbetreuer Stephan Strebel vom Ökobüro avi-fauna GmbH beraten und ein hydrologisches Gutachten der Krümmi in Auftrag gegeben. Dieses sollte aufzeigen, wie das Gebiet nachhaltig aufgewertet, ökologischer gepflegt und so auch für Kreuzkröte und Limikolen wieder interessanter gemacht werden kann.

Begleitend dazu hat der Projektpartner, der Biotopverbund Grosses Moos, im Auftrag des Kantons Freiburg rund um die Krümmi Piezometer installieren lassen, die den Wasserdruck messen. Die Kombination dieser Daten und Erkenntnisse ergab eine relativ einfache Lösung: mehr Wasser für fischfreie Flachwasserzonen und die Einführung einer extensiven Beweidung, um vegetationsfreie Kleinflächen zu kreieren und das junge Schilf zu beweiden.

Nach drei Jahren Planung konnten im Winter 2023/2024 in Zusammenarbeit mit Stephan Strebel, dem Biotopverbund Grosses Moos, der BVK Kerzers, dem Kanton Freiburg und den betroffenen Bewirtschaftenden entscheidende Schritte gemacht werden. So wurden eine Drainage, welche die Krümmi durchquerte, geschlossen und defekte Abflussschächte repariert, mit dem Ziel, das Wasserniveau von Winter bis Sommer merklich zu erhöhen. Auch betreffend Unterhalt konnten neue Massnahmen eingeleitet werden: Seit Mai 2024 wird die Krümmi durch Schottische Hochlandrinder beweidet.

Die Grauammer-Kammer der Schweiz

Zu den Zielarten des Artenförderungsprojekts im Grossen Moos zählt auch die in der Schweiz vom Aussterben bedrohte Grauammer. Seit jeher kommt dem Grossen Moos eine entscheidende Bedeutung für den schweizweiten Grauammer­bestand zu. Umso schockierender war die Tatsache, als im Jahr 2018 gerade noch acht singende Männchen im Projektperimeter festgestellt wurden.

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Plan einer Grauammerförderfläche mit extensiver Wiese, Buntbrache, Buchweizen, Rotationsbrache und Hafer (v. l. n. r.). Grüne Punkte: Wildrosen. © BirdLife Schweiz/Lucas Lombardo
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Diese Fläche im Grossen Moos dient speziell der Förderung der Grauammer. © BirdLife Schweiz/Lucas Lombardo

Sechs Jahre später zeigt sich, dass die seit 2015 getroffenen Massnahmen des Artenförderungsprojekts Früchte tragen: Im letzten Jahr konnte BirdLife Schweiz im ganzen Projektperimeter wieder 55 singende Grauammern und 37 verpaarte Weibchen feststellen! Damit beherbergt das Grosse Moos fast 50 % des Schweizer Bestandes, der sich – auch dank eines Einfluges 2022 – auch in einigen anderen aufgewerteten Gebieten positiv entwickelt hat. Besonders erfreulich war die Entdeckung diverser Sänger auf dem Gemeindegebiet von Brüttelen, das bisher nicht als Grauammer-Hotspot bekannt war.

Diese Entdeckung führte dazu, dass 2023 der Startschuss für eine in der Schweiz bislang einmalige Grauammerförderfläche fiel. Landwirtin Rachel Hämmerli stellte vier Hektaren Kulturland zur Verfügung. Auf dieser Fläche werden nun diverse, im Ausland seit Jahren bewährte Fördermassnahmen kombiniert: eine extensive Wiese, eine von BirdLife entwickelte Buntbrache, eine ebensolche Rotationsbrache, die Nahrungsquelle für Vögel und Bestäuber kombiniert und je ein Streifen Getreide sowie Buchweizen. Letztere werden nicht geerntet und dienen der Grauammer in Schlechtwetterphasen als Nahrung für die Jungen. Im Winter sollen diese Flächen zudem Finken und Ammern natürliche Winternahrung bieten, was wiederum die Wintersterblichkeit der Grauammer positiv beeinflussen soll.

Es bleibt viel zu tun

Die bereits erzielten Erfolge genügen jedoch noch nicht, um das langfristige Überleben der Zielarten zu sichern. Gerade die Turteltaube ist ein Sorgenkind, für das in den nächsten Monaten weitere gezielte Aufwertungs- und Fördermassnahmen umgesetzt werden. Die diversen Zwischen­erfolge zeigen aber: Der langfristige Erhalt der eingangs erwähnten Zielarten im Grossen Moos ist möglich. Er erfordert jedoch weiterhin einen grossen Einsatz. BirdLife bleibt unermüdlich dran und möchte einen herzlichen Dank an alle Partnerinnen und Partner – insbesondere dem Kanton Bern – aussprechen, die uns in diesem Projekt unterstützen.

 

Lucas Lombardo ist Projektleiter Artenförderung bei BirdLife Schweiz.

Bitte unterstützen Sie das Projekt im Grossen Moos!

Für die Artenförderprojekte im Grossen Moos wird viel Geld benötigt. Dabei ist BirdLife dringend auf Spenden angewiesen. Helfen auch Sie mit, die Projekte zu finanzieren? Ganz herzlichen Dank! BirdLife Schweiz, Postfach, 8036 Zürich, PC 80-69351-6, Vermerk: Grosses Moos
IBAN: CH71 0900 0000 8006 9351 6. Online: birdlife.ch/spenden (Zahlungszweck: Grosses Moos)

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