Verbesserte Grundlagen dank Schweizer Beitrag

Naturschutz in Ungarn mit Unterstützung aus der Schweiz. Seit 2008 beteiligt sich die Schweiz an verschiedenen Projekten zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in 13 Staaten der erweiterten EU. Ein Teil des Geldes kommt dem Naturschutz zugute – mit erfreulichen Ergebnissen. BirdLife Schweiz begleitete die Projekte in Ungarn; drei davon werden hier kurz vorgestellt.


Fritz Hirt

05.02.2017, Ornis 1/17

Seit den 1980er-Jahren steht BirdLife Schweiz in Kontakt mit dem ungarischen BirdLife-Partner MME. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges vertiefte sich die Zusammenarbeit mit der MME, aber auch mit der ungarischen Stiftung Pro Vértes und mit der Landesnaturschutzorganisation (LNSO) Somogy.

Zusätzlichen Schwung erhielt das gemeinsame Wirken mit dem Beitrag der Schweiz («Swiss Contribution») an die neuen EU-Länder: 2007, 2009 und 2013 sprach das eidgenössische Parlament namhafte Beträge für die 13 Staaten. Mit den gesprochenen Gel-dern konnten auch Naturschutzprojekte unterstützt werden; die Initiative hierfür musste allerdings aus den Ländern selber kommen.

Die BirdLife-Partner in Bulgarien, Polen, der Slowakei und in Ungarn nutzten die Gunst der Stunde und reichten Projekte ein, die auch bewilligt wurden. In Ungarn begleitete BirdLife Schweiz ihre Vorhaben. 

Bei den drei hier vorgestellten «Swiss-Contribution-Projekten» standen jeweils die bessere Beschreibung der vorhandenen Naturwerte, die Erarbeitung von Empfehlungen für deren Pflege und die Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse im Vordergrund. Mehr über die Fortschritte im Naturschutz Osteuropas wird in einer späteren Ornis-Ausgabe zu lesen sein. 

MME: Schutzgrundlagen für die Natura-2000-Gebiete

Ein zentrales Instrument der EU für den länderübergreifenden Schutz  gefährdeter Pflanzen- und Tierarten und ihrer Lebensräume ist das Schutzgebietsnetz Natura 2000. Der ungarische BirdLife-Partner MME setzte sich im Rahmen der «Swiss Contribution» deshalb das Ziel, den Schutz der Natura-2000-Gebiete langfristig zu sichern und Empfehlungen für den Unterhalt der Gebiete auszuarbeiten und zu testen. Ein besonderer Fokus lag auf Feuchtgebieten und Wäldern. Bei diesen zwei Lebensräumen war der Zustand oft gar nicht bekannt, und wenn, dann war er ungenügend. 

Zusammen mit wissenschaftlichen Partnern entwickelte die MME ein Monitoring für ausgewählte Tier- und Pflanzenarten und untersuchte die Veränderungen in den Lebensräumen, zum Beispiel anhand der Totholzmenge in den Wäldern. Zudem schlug der BirdLife-Partner Massnahmen zur Biodiversitätsförderung vor, die in Pilotflächen getestet wurden.

Mit zahlreichen Publikationen machte die MME die Ergebnisse bekannt. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Verbreitung von Informationen über die Möglichkeiten ökologischer Zahlungen in der Landwirtschaft. Die Managementpläne für die Natura-2000-Gebiete sollen nun vom Landwirtschaftsminister beschlossen werden. 

Neben den neu erhobenen biologischen Daten sind für die ungarischen Projektpartner die entstandenen Kontakte zwischen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Sektoren, Bewirtschaftern und Eigentümern besonders wertvoll. Sie sollen auch in Zukunft gepflegt werden.

U Vrkonyi

Der ungarische BirdLife-Partner MME entwickelte ein Monitoring für ausgewählte Tier- und Pflanzenarten. © MME

Pro Vértes: Erhaltung der Naturschätze Ungarns

Bereits mit dem Beitritt zur EU musste Ungarn seine national bedeutenden Naturschutzobjekte bezeichnen. Über die lokal bedeutenden Objekte hingegen gab es lange keine Übersicht. Die Naturschutzstiftung Pro Vértes nahm sich deshalb nicht nur vor, die Arten und die Habitatstypen von Natura-2000-Gebieten zu beschreiben und Empfehlungen für deren Unterhalt zusammenzutragen; sie erfasste und beurteilte auch lokal bedeutende Objekte. 

Dank des Schweizer Beitrags entstanden Produkte, welche Pro Vértes gezielt verbreitete. So wurde das fast 1000-seitige Nachschlagewerk  über die Arten und Lebensräume von Natura 2000 allen naturschutzrelevanten Stellen im Land zur Verfügung gestellt; 2014 erhielt es die Auszeichnung «wichtigstes Buch» im Land. Von einer weiteren Publikation über den werterhaltenden Unterhalt der Gebiete mit praktischen Anleitungen für jeden Habitatstyp gingen 30 000 Exemplare an Landwirte und Behörden. Hinzu kam eine Übersichtskarte im Massstab 1:50 000, welche die kommunal bedeutenden Schutzobjekte vorstellt; 200 000 dieser Karten gingen an Schulen, Gemeinden und interessierte Personen. Filme, Karten, Poster, Bücher und Datenbanken wurden erarbeitet, Informationsmaterialien für die Medien zusammengestellt und Veranstaltungen und Wettbewerbe durchgeführt. 

Alle Angebote stiessen auf grosses Interesse: Allein am bisher dreimal durchgeführten Vogel- und Baumtag nahmen je rund 1000 Schülerinnen und Schüler in ganz Ungarn teil. Den halbstündigen Film über die lokalen Schutzgebiete sahen mehr als zwei Millionen Menschen.

Erfreulich ist aber nicht nur die  Entwicklung des Informationsstands – auch die geschützte Fläche hat sich stark vergrössert. Inzwischen stehen in Ungarn 22 Prozent der Landesfläche unter Schutz. Die Liste der Schutzgebiete umfasst über 1200 lokal bedeutende Objekte, darunter 200 Flächen, welche Pro Vértes erst dank des Schweizer Beitrags kartieren konnte.

LNSO Somogy: Überwachung von seltenen Arten

Die LNSO Somogy ist eine Naturschutzorganisation in der ungarischen Provinz Somogy. Sie setzte den Schweizer Beitrag für die Überwachung von Schmetterlingen, Libellen, holzbewohnenden Käfern, Amphibien, Reptilien und Fledermäusen ein. Der Fokus lag dabei auf den Natura-2000-Gebieten der Provinzen Vas, Zala und Somogy ausserhalb der Kernzonen von Nationalpärken, wo die Datenlage noch ungenügend war. Es sind riesige Flächen: 204 100 Hektaren waren in dreieinhalb Jahren zu untersuchen. Für verschiedene Artengruppen mussten zuerst einmal geeignete Erhebungsmethoden entwickelt werden, die nun in Empfehlungen für ein verbessertes ungarisches Biodiversitätsmonitoring einfliessen. 

Viele Flächen mit hohem Naturwert in Südwestungarn waren ins Natura-2000-Netzwerk aufgenommen worden, ohne dass der Ausgangszustand ausreichend bekannt gewesen wäre; das gilt insbesondere für die Insekten. Dank des Schweizer Beitrags gelang es, die bisher umfassendste Erhebung der Verbreitung und teilweise auch der Häufigkeit ausgewählter wirbelloser Tiere durchzuführen. Dabei trafen die Naturschützer auch auf selten geglaubte Arten, die im Untersuchungsgebiet überraschend weit verbreitet waren. Die Ergebnisse der Erhebungen flossen in einen Verbreitungsatlas ein.

Jetzt folgt die Umsetzung

In den kommenden Jahren gilt es, auf Basis der erarbeiteten Grundlagen die Naturwerte in Ungarn langfristig zu sichern. Es ist zu hoffen, dass die nächste Beitragsrunde, über welche das Schweizer Parlament 2017 entscheidet, den dafür nötigen Schub auslöst.

Fritz Hirt ist Ehrenpräsident von BirdLife Schweiz. Er ist für die Zusammenarbeit mit den Partnern in Osteuropa zuständig. 

Die drei Projekte wurden durch die Schweizer Beiträge an die EU-Erweiterung ermöglicht.

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