Schlussspurt für die Biodiversität

Biodiversitätsinitiative. Bis zur Abstimmung sind es nur noch wenige Wochen. Wochen, in denen noch viel passieren muss: Gemeinsam müssen wir jetzt so viele Menschen wir möglich für das Anliegen überzeugen. Bitte helfen auch Sie mit, dass die Natur am 22. September nicht erneut den Kürzeren zieht.


Raffael Ayé

05.08.2024, Ornis 4/24

Strassenumfragen zeigen: Die meisten Menschen haben noch zu wenig Ahnung, wie schlecht es um die Vielfalt der Natur in unserem reichen Land steht. Viele sehen nur die schönen Landschaften und die grünen Wiesen und Gärten, übersehen jedoch, dass Grün nicht dasselbe wie artenreich ist. Sie ahnen damit wohl auch nicht, wie wichtig die Biodiversitätsinitiative ist, die am 22. September zur Abstimmung kommt.

Wenn wir wollen, dass der Schwund der Biodiversität ein Ende hat und die Roten Listen nicht noch länger werden, dann müssen wir jetzt aktiv werden und die Schweiz aufrütteln. Der Schlussspurt für die Abstimmung zur Biodiversitätsinitiative läuft. Die Argumente liegen auf der Ja-Seite: Die Natur ist unsere Lebensgrundlage. Eine intakte Biodiversität hilft gegen den Klimawandel und Umweltkatastrophen. Für die Nahrungsmittelproduktion braucht es gesunde Böden, sauberes Wasser und eine funktionierende Bestäubung.

Der Handlungsbedarf ist in der Schweiz riesig: Die Hälfte der natürlichen Lebensräume ist heute bedroht (siehe Grafik). Ein Drittel aller Tier-, Pilz- und Pflanzenarten in der Schweiz ist gefährdet oder bereits ausgestorben. Damit sind auch die eminent wichtigen Ökosystemleistungen der Biodiversität in Gefahr, so die erwähnte Bestäubungsleistung: 45 % der Wildbienenarten in der Schweiz sind bereits ausgestorben oder gefährdet, wie die neuste Rote Liste zeigt. Wollen wir so weiterfahren?

Es braucht nun Fortschritte

Bereits seit einem Vierteljahrhundert versucht BirdLife Schweiz, den Naturschutz in unserem Land voranzubringen. Doch die «Strategie Biodiversität Schweiz» des Bundesrates blieb weitgehend toter Buchstabe. Denn der dazugehörige Aktionsplan von 2017 kam um Jahre verspätet und enthielt viele notwendigen Massnahmen gar nicht. Medien haben zudem unterdessen gezeigt, dass die Bilanz des Aktionsplans massiv geschönt wurde (siehe Ornis 3/24, S. 31). Und ohne einen deutlichen Schub wird auch der neue Aktionsplan, der jetzt in Erarbeitung ist, für die Natur wenig bewirken.

Zugleich werden dem Naturschutz die erforderlichen finanziellen und personellen Mittel vorenthalten. Noch letztes Jahr hatten Bundesrat und Parlament wenigstens eine moderate Erhöhung der Finanzen für die kommenden vier Jahre versprochen. Als ob sie nun auch für das Ja zur Biodiversitätsinitiative werben wollten, haben sie unterdessen alles gestrichen. Nochmals viele Jahre Stagnation im Naturschutz? Bitte nicht, unsere Kinder und Enkelkinder haben Besseres verdient, als bereits in naher Zukunft immense Summen für die Wiederherstellung der zerstörten Natur einsetzen zu müssen! Auch deshalb braucht es unser aller Ja zur Initiative.

Mauren Hemischbüel
BI Fribourg
Werben für die Biodiversitätsinitiative. © zvg

Offener und moderater Abstimmungstext

Die Biodiversitätsinitiative will den Schutz unserer Lebensgrundlagen besser in der Verfassung verankern. Sie verlangt die notwendigen Flächen, Mittel und Instrumente für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Sie nimmt Bund und Kantone in die Pflicht. Sie schont Natur, vielfältige Landschaften und schöne Ortsbilder auch ausserhalb von Schutzgebieten.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass wir über einen sehr offenen und moderaten Verfassungstext abstimmen. Er enthält den Auftrag an Bundesrat, Parlament und Kantone, die neuen Regeln innert fünf Jahren zu konkretisieren. In der Abstimmung geht es um ein Ja zu diesem Text und zu nichts anderem. Vieles, was die Gegner dem Verfassungstext andichten, hat mit der Realität nichts zu tun. Die Biodiversitätsinitiative verlangt die erforderlichen Flächen und Mittel für die Sicherung und Stärkung unserer Lebensgrundlagen. Sie nennt weder einen einzusetzenden Frankenbetrag noch irgendwelche Flächenprozente. Dabei macht sie auch keinen Bezug zum globalen Rahmenabkommen von 2022 zur Biodiversität, das ein globales Flächenziel für Naturschutzgebiete enthält (siehe Ornis 5/23).

Richtig ist: Die Biodiversitätsinitiative hebt die bewährte Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzung auf Verfassungsstufe. Bisher ist diese nur auf Gesetzesebene geregelt und damit den Launen einer immer naturfeindlicheren Par­lamentsmehrheit ausgeliefert. Der neue Verfassungstext hält wie bisher fest, dass erhebliche Eingriffe in Schutzgebiete nur dann ins Auge gefasst werden dürfen, wenn dem Schutz Nutzungsinteressen von nationaler Bedeutung gegenüber­stehen. In der Initiative wird neu noch verdeutlicht, dass ein Schutzgebiet von nationaler Bedeutung durch Eingriffe nicht regelrecht ausgelöscht werden darf. Mit dieser Verfassungs­bestimmung soll verhindert werden, dass immer neue Eingriffsgründe aus dem Parlament dazu führen, dass unsere letzten Natur- und Landschaftsperlen kurzsichtigen Interessen geopfert werden.

Ein Rechtsgutachten zeigt übrigens klar, dass die Biodiversitätsinitiative auch mit den neusten Beschlüssen zur Energiewende im Einklang steht (siehe auch Ornis 3/24). Auch der Tourismus profitiert vom Schutz von Natur und Landschaft. Und die Produktion von Holz und Nahrungsmitteln ist mit der Biodiversitätsinitiative weiterhin gewährleistet – und zwar mit verstärkten Synergien zwischen Schutz und Nutzung. Auch viele Wirtschaftsunternehmen erkennen immer deutlicher, wie stark auch sie von der Biodiversität abhängig sind.

Die Natur braucht uns jetzt

Bitte informieren Sie Ihre Bekannten in Vereinen, an der Arbeit oder in der Nachbarschaft über die Fakten zur Biodiversitätsinitiative (siehe Link). Werden Sie aktiv im Schlussspurt der Abstimmungskampagne. Nach all dem Abbau im Naturschutz wieder gleich lange Spiesse für unsere Lebensgrundlage herzustellen, dafür braucht es unser Ja. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Dr. Raffael Ayé ist Geschäftsführer von BirdLife Schweiz.

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Unter biodiversitaetsinitiative.ch/mitmachen können Sie nicht nur Fahnen und weiteres Material bestellen, sondern sich auch an Aktionen beteiligen. Vielen Dank, dass Sie jetzt in der Schlussphase aktiv werden.

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