Mehr Ried im Neeracherried

Renaturierung. Das BirdLife-Naturzentrum Neer­acherried ist ein viel besuchter Ort für Naturinteressierte. So können jedes Jahr Tausende Menschen für die Biodiversität sensibilisiert werden. Etwas weniger bekannt ist vielleicht das Engagement von BirdLife Schweiz zugunsten des artenreichen Flachmoors: Es konnten bereits mehrere Renaturierungen durchgeführt werden.


Das Neeracherried ist eines der grössten noch bestehenden Flachmoore der Schweiz. Und dennoch handelt es sich nur noch um einen Rest eines einst viel grösseren Moors, in dem auch Arten wie die Bekassine oder der Grosse Brachvogel brüten konnten. BirdLife Schweiz engagiert sich seit Langem für die optimale Pflege des Moors und konnte zusammen mit dem Kanton, Stiftungen und weiteren Partnern immer wieder
Flächen aufwerten. Das neuste Projekt ist eine Renaturierung an der Westgrenze des national bedeutenden Flachmoors, die seit diesem Sommer läuft. Auf der Fläche von der Grösse eines Fussballfelds konnte BirdLife hier neue Lebensräume für Kiebitz, Laubfrosch & Co. schaffen.

BirdLife Schweiz besitzt die Parzelle an der Westgrenze des Neeracherrieds ausserhalb des Schutzgebiets schon seit Längerem. Mitte des 20. Jahrhunderts waren hier die Riedwiesen am Rand des Flachmoors mit Bauschutt bis auf eine Höhe von rund zwei Metern überschüttet worden. Trotz extensivem Schnitt oder Beweidung konnte sich keine spezielle Vegeta­tion etablieren. Zudem zeigten Sondierungen im Boden, dass auch verschmutztes Material deponiert worden war.

 

Wechselfeuchtes Grünland und Gewässer


Wiederherstellungen von Ökosystemen sind dringlich für den Erhalt der Biodiversität und dienen auch dem Aufbau der Ökologischen Infrastruktur. Damit das Projekt an der Westgrenze des Rieds dem gerecht wird, waren sehr gute Kenntnisse des Gebiets, seiner Schutzziele und der wichtigen Lebens­räume und Arten gefragt. Glücklicherweise kennt der ehemalige BirdLife-Geschäftsführer Werner Müller das Neeracherried seit über 50 Jahren.

Der stellvertretende BirdLife-Geschäftsführer Martin Schuck ist seit mehreren Jahren zusammen mit ihm Ala-Gebietsbetreuer, und Stefan Heller ist seit 25 Jahren Leiter des BirdLife-Naturzentrums Neeracherried. Die drei initiierten das Projekt und liessen von Martin Weggler, dem früheren langjährigen Ala-Betreuer des Neeracherrieds, 2021 eine Studie für ein Aufwertungsprojekt erstellen. In Zusammenarbeit mit dem Gebietsbetreuer der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich wurden die Eckpunkte des Projekts ausgearbeitet.

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Im Rahmen des Projektes sollen wieder wechselfeuchtes Grünland und Gewässer hergestellt werden, die von verschiedenen Tier- und Pflanzenarten besiedelt werden. Dazu zählen z. B. der Skabiosen-Scheckenfalter (links) und die Blutrote Heidelibelle (rechts). © André Ducry (2)

Es sollten wieder wechselfeuchtes Grünland und Gewässer hergestellt werden, die von Tierarten wie Kiebitz, Bekassine, Gründelenten, Laubfrosch, Skabiosen-Scheckenfalter, Heidelibellen und Pflanzen wie dem Nickenden Zweizahn oder dem Tausendgüldenkraut besiedelt werden können. Zwei tiefere Teiche waren im Gebiet bereits vorhanden. Zusätzlich sollten drei weitere flache Teiche – zwei davon ablassbar – sowie ein seichter Wasserarm entstehen. Beim Einstau des Rieds im Winter und Frühling sollte dabei eine «Kiebitzinsel» aus dem Wasser ragen.

Das Projekt war zügig ausgearbeitet – jedoch fehlte noch das Geld für die Umsetzung. BirdLife Schweiz konnte mehrere Partner gewinnen: die BirdLife-Mitgliedorganisation Ala, die Dr. Bertold Suhner Stiftung, eine weitere Stiftung und eine Privatperson. Mit dem Rückenwind dieser ersten Zusagen fragte BirdLife Schweiz die Fachstelle Naturschutz um Deckung der weiteren Kosten an. Eine ihrer Prioritäten ist die Wiederherstellung von Feuchtgebieten. Das Projekt passte also bestens in dieses Programm, und zu unserer grossen Freude wurden auch von dieser Seite namhafte Mittel zugesagt.

 

Hochlandrinder als Gebietspfleger


Alles startklar also? Nicht ganz, denn nun war Geduld und Durchhaltevermögen angesagt. Für das Baugesuch brauchte es umfangreiche Vorarbeiten: Mit Sondierungen musste die Belastung des Untergrunds so gut wie möglich abgeschätzt werden. Der Umgang mit diesen Altlasten, mit Transport und Verwertung des Bodens und mit vielem mehr musste abgeklärt und belegt werden. Für die Bauarbeiten brauchte es eine aufwendige Vergabe.

Weil alles etwas länger dauerte, verpassten wir das Zeitfenster für die Bauarbeiten im Jahr 2023 um wenige Wochen. Doch dafür waren wir dann 2024, dem Jubiläumsjahr zum 25-jährigen Bestehen des BirdLife-Naturzentrums Neeracherried, bereit für diese Umsetzung. Der Landschaftsarchitekt Michiel Hartman – gleichzeitig Präsident der BirdLife-Sektion NV Meilen – erstellte die Pläne, koordinierte die Arbeiten für das Baugesuch, arbeitete die lange Liste der Auflagen der Baubewilligung ab und wachte als Bauleiter über die fachgerechte Ausführung.

Zwei Bodenspezialistinnen kontrollierten, dass Humus, Torf und Unterboden korrekt behandelt und wiederverwendet wurden. Bauführer, Polier und Baggerfahrer der Eberhard Bau AG sorgten dafür, dass alles plangemäss realisiert und das viele – teilweise belastete – Material richtig abgeführt, für eine Wiederverwendung aufbereitet und entsorgt wurde.

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Kurz nach den Arbeiten sieht die renaturierte Fläche noch nackt aus. Dies wird sich bald ändern. © BirdLife Schweiz

Im Oktober und November 2024 fanden dann die vorläufig letzten Arbeiten statt: Die Fachstelle Naturschutz führte eine Direktbegrünung mit Schnittgut aus dem Ried durch, und am Westrand der Fläche pflanzte ein Zivi-Betrieb auf einem niederen Wall eine Hecke. Einerseits sollen damit Störungen der Vögel vermindert werden, wobei für die Beobachterinnen und Beobachter aber mehrere Sichtfenster bestehen bleiben. Andererseits wird mit der Hecke die Drift (das Verwehen) von Pestiziden aus den nahen Landwirtschaftsflächen Richtung Ried verringert.

Zum Schluss wurde noch ein Zaun installiert, denn der Grossteil der neu renaturierten Fläche soll – wie die direkt daran angrenzende Riedfläche – mit Schottischen Hochlandrindern beweidet werden. Sie schaffen offene Bodenstellen, die von Kiebitzen, weiteren Watvögeln und Pionierpflanzen genutzt werden.

Noch ist die Fläche nur sehr spärlich bewachsen, doch bald wird sie sich zu einem wertvollen Feuchtlebensraum entwickeln. Wir freuen uns, diese Entwicklung in den nächsten Jahren zu verfolgen und danken allen herzlich, die das Projekt unterstützt haben!


Stefan Heller ist Leiter des BirdLife-Naturzentrums Neeracherried und Abteilungsleiter Naturzentren.

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