Über Maisprach liegt an diesem Dezembertag eine dichte Wolkendecke. Trotzdem fühlt man sich im kleinen Dorf im Basler Tafeljura sofort wohl. Die hügelige Landschaft ist lieblich, das Dorfbild einigermassen intakt, die Strassen sind belebt mit Fussgängern, Velofahrern, Bauern auf Traktoren.
Maisprach BL hat 980 Einwohner. 260 von ihnen sind Mitglied beim VVM, dem «Vogelschutz-, Heimatschutz- und Verschönerungsverein Maisprach», der lokalen SVS-Sektion. Die erste Frage an den Vereinspräsidenten ist daher klar: Wohnen in Maisprach fast nur Vogelschützer und Naturfreunde? Christoph Schaub (60), ein besonnener Mann mit Bart und melierten Haaren, muss lachen. «In unserem Dorf leben nicht mehr Naturinteressierte als anderswo», sagt er. «Der hohe Anteil an Mitgliedern hat wohl eher mit dem Engagement unseres Vereins zu tun». Zum einen gehe man jeden Neuzuzüger aktiv an und motiviere ihn, Mitglied zu werden. Zum anderen tue man sehr viel für die Bevölkerung und für das Dorf. «Das wird natürlich wahrgenommen.»
Wie der Name schon sagt, ist der VVM kein reiner Naturschutzverein. Er kümmert sich auch um Kulturbelange und um die Verschönerung des Dorfes und organisiert zum Beispiel jedes Jahr einen Christbaum, einen Maibaum oder Blumenschmuck. Vor einigen Jahren hat er 32 neue Sitzbänke rund um das Dorf aufgestellt, die von Dorfbewohnern gesponsert werden konnten. Das bleibt im Dorf nicht unbeachtet. Wer nun aber meint, die Natur sei im VVM nur zweitrangig, täuscht sich. Die meisten Projekte kommen vor allem der Biodiversität zu Gute. «Und der Landschaft», ergänzt Christoph Schaub. «Und weil das eben alles zusammenhängt, haben wir seit letztem Jahr einen neuen Slogan: Vernetzte Vielfalt Maisprach».
Maisprach ist ein altes Winzerdorf, das noch heute von etwa 16 Hektaren Rebbergen umgeben ist. Hinzu kommen mehrere Hochstamm-Obstgärten, aber auch immer mehr Niederstamm-Plantagen. Da ist es nur logisch, dass sich der VVM intensiv mit der kommunalen Landschaftsplanung befasst und versucht, vorab die Rebberge und die Obstgärten aufzuwerten. Dazu hat er in den letzten Jahren immer wieder Projekte angestossen, die in der Dimension ihresgleichen suchen.
Bänkli freuen auch die Eidechsen
Da ist zum Beispiel das bereits erwähnte Bänkli-Projekt. «Wir stellten eben nicht nur 32 Bänkli auf, sondern wir schufen bei jedem Standort auch eine Kleinstruktur, so ein Wildbienenhaus, eine Hecke oder eine Trockenmauer.» Die Idee war so gut, dass sie bei einem Kleinstrukturen-Wettbewerb des SVS 2004 den ersten Preis holte. Seitdem erobert die Natur die Trittsteine: Zauneidechsen, Vögel und Kleintiere profitieren davon.
In einem weiteren Projekt konnte der Verein in den Rebbergen alte Betonmauern durch Trockenmauern ersetzen. Diese sind insgesamt über 250 Meter lang, teils über zwei Meter hoch und enthalten viele Reptilien-Rückzugskammern. Der VVM erstellte einen umfangreichen Projektbeschrieb und konnte so über 500 000 Franken an Sponsorgeldern zusammentragen. «Von den etwa 20 angefragten Stiftungen und Organisationen sagte nur rund ein Drittel ab», erzählt Susanne Küng, die Kassierin des Vereins. Bis alle Akteure – Geldgeber, Gemeinde, Landwirte – mitmachten, vergingen trotzdem einige Jahre. «Meistens dauert ein Projekt von der Idee bis zur fertigen Umsetzung rund zehn Jahre», so Küng. «Das braucht schon Durchhaltewillen.»
Der VVM prägt die Landschaft rund um Maisprach entscheidend mit. © VVM
«Das ist das Schöne an unserem Vereinsvorstand», ergänzt Christoph Schaub, der seit über 25 Jahren im Vorstand ist. «Wir haben Leute, die den Ehrgeiz haben, bis zum Schluss dranzubleiben und nicht aufzugeben.» Das benötige zwar viel Arbeit, doch die Resultate seien dann natürlich motivierend.
Das vielleicht grösste Thema seit den Achtzigerjahren sind aber die Hochstamm-Obstgärten. Der VVM begann schon früh, sie zu fördern, indem er den Kauf von Birnel propagierte und Obstsaft subventionierte. Als dann trotzdem fast kein Landwirt mehr Hochstämmer pflanzen wollte, setzte der Verein stattdessen auf markante Einzelbäume: Dutzende Eichen, Linden und andere Bäume wurden inzwischen angepflanzt. Heute stehen die Hochstamm-Kulturen wieder höher im Kurs; der VVM hat in den letzten drei Jahren zur Pflanzung von rund 100 Bäumen beigetragen.
Wie gelingt es dem Verein, die Landwirte für seine Anliegen zu gewinnen? «Die Bauern leben von ihrem Betrieb», sagt Christoph Schaub. «Deshalb müssen sich die Massnahmen für sie finanziell auszahlen. Alles andere ist sekundär.» Entsprechend sucht der VVM vorab nach Geldquellen. «Wenn wir die Massnahmen mitfinanzieren oder die Bauern sonst einen Gewinn daraus haben, machen sie meistens mit.»
Erst seit einigen Jahren laufen konkrete Artenförderungsmassnahmen für Vögel wie den Gartenrotschwanz, Wendehals, Wiedehopf oder Steinkauz. «Wir machten bis jetzt auch keine Vogelzählungen, da wir im Vorstand keine Biologen haben», so Schaub. Inzwischen wurden aber in den Obstgärten mehrere Nistkästen aufgehängt, und derzeit läuft eine Analyse, wie man die Obstgärten und Rebberge aufwerten könnte. «Wenn durch das SVS-Schutzprogramm in einigen Jahren der Steinkauz zurückkommt, wollen wir bereit sein», schmunzelt Susanne Küng.
Viel Erfahrung mit Artenförderung konnte der VVM in Sachen Geburtshelferkröte sammeln. Im Wald oberhalb des Dorfes wurden immer wieder Rufer festgestellt. Die Laichtümpel waren allerdings in einem schlechten Zustand. Also baute man neue Tümpel und lichtete den Wald «krötenfreundlich» aus. In einem laufenden Projekt kümmert sich der VVM nun auch um die Vernetzung der Vorkommen über die Gemeindegrenzen hinweg. Fast 1000 Geburtshelferkröten werden inzwischen gezählt. «Vernetzte Vielfalt» kommt in diesem Dorf eben allen zugute – auch den Glögglifröschen.
Stefan Bachmann ist Redaktor von Ornis.
Die wichtigsten Aktivitäten des VVM in den letzten Jahren
■ Bänkliprojekt: 32 Sitzbänke mit Kleinstrukturen
■ Weiher-Sanierung/Aufwertungen/Vernetzung für die Geburtshelferkröte
■ Projekt Rebmauern: 250 Meter neue Trockenmauern
■ Neupflanzung dutzender markanter Einzelbäume
■ Pflanzung von rund 100 Hochstammobstbäumen
■ Aufwertungsmassnahmen in den Obstgärten
■ Naturnahe Umgebungsgestaltung der neuen Mehrzweckhalle mit Pflanzenlehrpfad
■ Jährliche Durchführung eines Naturschutztages mit allen Schulklassen der Gemeinde
■ Erstellung eines Waldlehrpfades
■ Projekt «Kunst im Wald» mit 21 Kunstwerken
■ Schutz der Waldameisen und der Fledermauskolonien durch einen Götti oder eine Gotte
■ Jugendgruppe mit 20 und mehr Kindern
Jeder Vierte ist im Verein