In den Umweltzielen für die schweizerische Landwirtschaft gilt der Feldhase als Leitart. Bisher hat er aber nicht von der Biodiversitätsförderung profitiert. Gesamtschweizerisch repräsentative Zahlen zum Feldhasenrückgang gibt es allerdings nicht. Im Kanton Aargau, wo die Feldhasen regelmässig und flächendeckend gezählt werden, ist der Bestand aber seit 2001 von über 3000 gezählten Individuen auf rund 1000 Hasen im Jahr 2016 zusammengebrochen.
Vor diesem Hintergrund starteten Jagd Baselland, Pro Natura Baselland und der Basellandschaftliche Natur- und Vogelschutzverband (BNV) – der Kantonalverband von BirdLife Schweiz – 2007 das Projekt HOPP HASE. Es sollte innerhalb von zehn Jahren in mehreren Testgebieten in der Nordwestschweiz zeigen, dass und wie der Feldhase im Landwirtschaftsgebiet gefördert werden kann.
Hohe Feldhasenbestände gibt es hauptsächlich in grossflächig ausgeräumten Getreidelandschaften, etwa im Pariser Becken oder in Niederösterreich. Solche Landschaften wollen wir bei uns nicht. Auch in reichhaltig strukturierten Landschaften wurden Feldhasen erfolgreich gefördert, indem Füchse, Katzen, Wiesel und andere Raubtiere rigoros und dauernd mit Fallen bekämpft werden. Dies ist keine Option für ein Naturschutzprojekt. Daher waren neue Fördermassnahmen gefragt. HOPP HASE wurde zu einem «lernenden Projekt», bei welchem Massnahmen grossflächig ausprobiert und laufend deren Erfolg überprüft wurde. Landwirte, Forscher, ehrenamtliche Helfer und professionelle Vermittler realisierten das Projekt gemeinschaftlich. Soeben konnten sie es nach zehn Jahren planmässig abschliessen.
Junghasenverluste reduzieren
Erwachsene Feldhasen sind anspruchslos. Im Tiefland haben sie ausser Autos keine ernsthaften Feinde mehr, seit die Hasenjagd in über der Hälfte der Kantone aufgegeben wurde. Das Problem ist der fehlende Nachwuchs. Dies ist erstaunlich, denn eine gesunde Häsin kann alle 40 Tage einen bis fünf Junghasen «setzen», und dies von Januar bis Oktober. Das kann sich für eine einzige Häsin in einem Jahr auf über zwanzig Junghasen aufsummieren. Rund zehn werden es wohl in den meisten Fällen sein. Dass davon fast alle bald sterben, ist normal. Wenn nur jeder fünfte bis zehnte Todesfall bei Junghasen vermieden werden kann, wächst die Hasenpopulation.
Wer Junghasen retten will, muss wissen, was sie bedroht. Hasen ziehen ihre Jungen am Boden auf und sind damit ähnlichen Gefahren ausgesetzt wie bodenbrütende Vögel. Nur, dass die Junghasen weniger Schutz von ihren Eltern bekommen als Jungvögel: Es gibt weder ein wärmendes Muttertier noch ein Hassen auf Raubtiere oder ein Verleitverhalten. Ein Junghase wird irgendwo in den Feldern geboren, ohne Nest, ohne Schutz und ohne elterliche Fürsorge. Einmal alle 24 Stunden kommt die Mutter zum Säugen, was weniger als fünf Minuten dauert. Im Übrigen sind Junghasen sich selbst überlassen. Jedes Raubtier, das eine grosse Maus bewältigt, kann auch einen Junghasen fressen. Zumal die Häschen nicht in einem Loch verschwinden, sondern einfach regungslos liegen bleiben. Zum Glück sind sie so gut getarnt, dass sie fast vollkommen unsichtbar bleiben, solange sie sich nicht bewegen.
Die hauptsächlichen Todesursachen von Junghasen sind nasses Wetter, Landmaschinen und Raubtiere. Dank ihres dichten Pelzes ertragen Junghasen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt meist ohne Schaden. Wird das Fell aber nass, kühlen sie rasch aus. Deshalb wirken sich längere Regenperioden im Frühling verheerend aus. Daran kann der Feldhasenschutz nichts ändern. Ansetzen kann er aber bei anderen Gefährdungsursachen – zum Beispiel bei den Fressfeinden. Neben Fuchs, Katze, Wiesel, Dachs, Marder und Greifvögeln kommen hier auch freilaufende Hunde, Wildschweine, Störche, Graureiher und Rabenvögel in Frage. Die Fressfeinde sind hauptsächlich im Wiesland und entlang von Gehölz und Randstrukturen auf Nahrungssuche.
Im Wiesland sind Landmaschinen ein Problem, denn in den wettergünstigen Sommermonaten erfolgen mehrere Grasernten, die ein Junghase auch bei sorgfältigster Mähtechnik nicht überleben kann. Im Ackerbau ist der Maschineneinsatz dagegen selten, ein Teil der Junghasen überlebt sogar den Mähdrescher.
Wirkungsvolle Massnahmen
Im Projekt HOPP HASE konnte die Junghasen-Sterblichkeit verringert werden, indem die Landwirte Flächen bereitstellten, in denen die Junghasen vor Landmaschinen und Prädatoren einigermassen sicher waren. Es zeigte sich, dass die Feldhasenbestände in Landschaften, die vom Ackerbau dominiert sind, mit zwei einfachen Massnahmen rasch und wirkungsvoll gefördert werden können: mit dünner als üblich eingesätem Wintergetreide und speziell hasenfreundlich (= raubtierfeindlich) gestalteten Brachen.
Buntbrachen, Rotationsbrachen oder ganz gewöhnliche brachliegende Ackerflächen werden nicht mit Landmaschinen bearbeitet. Gerne kommen aber Fressfeinde vorbei, die in erster Linie die Ränder der Brachen absuchen. Damit bei den Brachen viel Inneres und wenig Rand vorhanden ist, hat HOPP HASE statt der üblichen langen, schmalen Streifen kurze, breite Brachflächen anlegen lassen. Günstig für Hasen sind zudem Brachen fernab von Wald, Hecken, Ufern, Siedlungsrändern, Stras-sen und anderen Objekten, wo Raubtiere am liebsten unterwegs sind.
In Getreidefeldern sind Junghasen ziemlich sicher, denn diese werden bei uns von Fressfeinden fast nicht aufgesucht – vermutlich, weil es darin weder Wühlmäuse noch andere lohnende Beute gibt. Leider stehen die Getreidehalme heute aber so dicht, dass ein erwachsener Feldhase ab Mai nicht mehr ins Feld eindringen kann. So steht ausgerechnet der raubtiersicherste Ort im Landwirtschaftsgebiet in jenen Monaten als Junghasen-Setzplatz nicht zur Verfügung, in denen das Risiko für nasskaltes Wetter gering wäre. HOPP HASE liess nun einen Teil der Getreidefelder von den Bauern dünner einsäen, so dass sie immer für Hasen zugänglich waren. Dazu wurden grössere Abstände zwischen den Saatreihen gewählt. In einem Versuchsgebiet in Agglomerationsnähe wurden zudem die Hunde mit Elektrozäunen von den Getreidefeldern ferngehalten.
In drei von vier Projektgebieten, in denen diese Massnahmen umgesetzt wurden, entwickelte sich der Feldhasenbestand signifikant positiver als in den angrenzenden Kontrollgebieten ohne gezielte Hasenförderung. Innerhalb von drei bis sieben Jahren hat der Feldhase in jedem dieser drei Gebiete seinen Bestand mehr als verdoppelt. Eine quantitative Analyse der Landschaftsfaktoren, welche die Feldhasenverteilung beeinflussen, ergab, dass sich Brachen und dünn gesätes Getreide positiv auswirkten. Die weiteren untersuchten Landschaftsfaktoren zeigten keinen Einfluss.
Nach zehn Jahren hat sich der Verein HOPP HASE inzwischen aufgelöst. Die Erfahrungen des Projektes sind im Buch «Feldhasen fördern funktioniert!» dokumentiert, das kürzlich erschienen ist. Nun sollen die Feldhasen-Fördermassnahmen in den Katalog der Massnahmen aufgenommen werden, die den Landwirten vom Bund und den Kantonen finanziell abgegolten werden. Ob dies gelingt, wird sich voraussichtlich noch in diesem Jahr zeigen.
Dr. Darius Weber doktorierte über Iltisse. Mit dem Projekt HOPP HASE musste er seinen Blickwinkel um 180 Grad drehen, um die Probleme eines Beutetieres zu verstehen.
Hopp Hase!