Entscheidend ist, wer dabei ist

BirdLife Sarganserland dürfte die wohl jüngste Sektion des Schweizer Vogelschutzes SVS/BirdLife Schweiz sein. Hier zählt das Engagement jedes einzelnen Mitglieds. Ihr Elan macht Mut, auch andernorts dem Naturschutz neuen Schwung zu verleihen. 


BirdLife Sarganserland – das tönt halb international, halb provinziell. Genau dies ist auch beabsichtigt, wie die beiden Ko-Präsidenten Niklaus Good und Hannes Schumacher betonen. Der Name soll nämlich deutlich machen, dass der neue Verein eingebunden ist in ein System, das mit BirdLife International von der globalen Ebene über den Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz und den Kantonalverband BirdLife St. Gallen bis ins Sarganserland reicht. Sein Tätigkeitsgebiet erstreckt sich von Quinten am Walensee bis zum Sardona im Calfeisental und umfasst die Gemeindegebiete von Walenstadt, Mels, Flums, Sargans und Bad Ragaz. Zudem betreut BirdLife Sarganserland auch wenig erschlossene Täler südöstlich des Walensees wie das Schils-, das Weisstannen- oder das Taminatal. 

Einige der Gemeinden, die im Tätigkeitsgebiet des neuen Regionalvereins liegen, haben eigene kleine ornithologische Vereine wie zum Beispiel Sargans mit Natur SarganserLand. Dessen Präsident, Martin Frehner, ist auch beim neuen Regionalverein aktiv. Die beiden Ko-Präsidenten von BirdLife Sarganserland wiederum sind weiterhin bei ihren altansässigen Sektionen tätig. Da stellt sich natürlich die Frage, warum man nicht auf den bestehenden Strukturen aufgebaut, sondern etwas Neues auf die Beine gestellt hat. «Die ornithologischen Vereine im Sarganserland erfüllten über viele Jahrzehnte eine wichtige Funktion und tun dies auch heute noch», sagt Niklaus Good. Zusammen mit ihnen will der Regionalverein nun dem Naturschutz neuen Schwung verleihen. 

Am 20. April 2012 ging die Gründerversammlung von BirdLife Sarganserland über die Bühne. Das Hauptziel: den Naturschutz im Sarganserland regional zu fördern. Inzwischen zählt der Verein um die 50 Mitglieder aus der ganzen Region.

Wiedehopf in Sichtnähe


Die beiden Ko-Präsidenten sind stolz, dass sie ein Gebiet betreuen dürfen, das klimatisch begünstigt liegt und bezüglich Biodiversität als Hotspot gilt. Zwar schielt man hin und wieder etwas neidisch auf die Bündner Herrschaft – dort sind die Niederschlagsmengen weit geringer und die Sonneneinstrahlung noch höher als hier im Sarganserland. Doch Botaniker wie Heinrich Seitter haben Ende der 1980er-Jahre gezeigt, dass in der Region viele Besonderheiten gedeihen und die Artenvielfalt überraschend gross ist. Das hat auch mit dem ausgeprägten Höhengradienten zu tun: Das vom Regionalverein betreute Gebiet reicht von 420 bis auf 3200 m ü.M hinauf.

Jetzt hofft man, dass man von den steigenden Wiedehopfzahlen in der Herrschaft profitieren kann. Zudem hat der exotisch anmutende Vogel 2013 gleich um die Ecke in Grabs SG erfolgreich gebrütet. Allerdings ist, wie andernorts auch, der Druck auf natürliche Lebensräume im Sarganserland insbesondere im Talboden sehr gross. Einkaufszentren, Neubaugebiete und Strassen schiessen allerorts aus dem Boden, und die landwirtschaftliche Nutzung wird je länger desto intensiver. 

Bereits im Gründungsjahr gelang BirdLife Sarganserland ein schöner Coup: Im Rahmen der Hochstammbaumaktion 2012 konnte der Verein nicht weniger als 570 neue Hochstammobstbäume abgeben. Für den grossen Erfolg war auch der günstige Preis von 25 Franken pro Baum verantwortlich, den die beteiligten Gemeinden, das kantonale Amt für Natur, Jagd und Fischerei sowie die Baumschule ermöglicht hatten. Um die Wirkung der Pflanzaktion langfristig zu sichern, führt BirdLife Sarganserland periodisch Obstbaumpflegekurse durch; der nächste ist für Februar 2014 geplant. Zudem haben die umtriebigen Naturschützer eine Fachgruppe gegründet, die nach Möglichkeiten sucht, um die regionalen Hochstammprodukte besser zu vermarkten. 

Auch für die Beobachtung der Zugvögel im Gebiet macht sich BirdLife Sarganserland stark und beteiligt sich am jährlichen EuroBirdWatch. Am Schollberg zwischen Sargans und Trübbach können je nach Wetterlage grössere Ansammlungen von ziehenden Greifvögeln festgestellt werden – als würde hier ein Leuchtturm den südwärts ziehenden Vögeln den Weg weisen. Tatsächlich ist das Rheintal quasi das Eintrittsportal für den Zug über die Alpen. Falls detaillierte Beobachtungen zeigen sollten, dass die wenigen Rastplätze im Talboden für die Durchzügler nicht ausreichen, wird sich der Verein für zusätzliche Schutzgebiete stark machen. 

SP Mondbeobachtung

Mitglieder von BirdLife Sarganserland und Natur SarganserLand beobachten Zugvögel, die vor dem Vollmond vorbeiziehen. © BirdLife Sarganserland


Ein grosses Anliegen ist den Naturschützern die Verbesserung der Datengrundlagen. So decken sie die betroffenen Quadrate für den neuen Brutvogelatlas selber ab und wollen auf Basis der in der Region erhobenen Daten eine Avifauna für das Sarganserland publizieren. Zudem planen sie, das gesamte Vorkommen des Flussregenpfeifers entlang des Rheins von Mastrils bis Trübbach zu erfassen. Nicht weniger als ein Drittel des schweizerischen Bestands brütet auf den Kiesbänken des Alpenrheins. Dabei kommen der störungsempfindlichen Limikole die vielen Cervelatbrätler, Hundehalter und Sonnenbadenden in die Quere, die sich bei schönem Wetter ebenfalls auf den Kiesbänken aufhalten. Mithilfe der Tipps aus Ornis 1/13 versucht der Regionalverein nun, für das Sarganserland ein geeignetes Informations- und Lenkungssystem auszuhecken – angesichts des gros­sen Freizeitdrucks kein einfaches Unterfangen. 

Günstige Gelegenheiten packen


Wo auch immer sich eine Gelegenheit bietet, versucht der Verein einzuhaken. So auch bei einer wertvollen Trockenwiese am Fuss des Sarganser Hausbergs Gonzen oder einer landwirtschaftlich genutzten Fläche von rund fünf Hektaren am Südhang von Flums, welche grosses Aufwertungspotenzial für die Wiesenqualität, den Waldrand und den durchfliessenden Bach birgt. Zusammen mit einem Planungsbüro erarbeitet der Verein einen konkreten Projektvorschlag, um die nötigen Finanzen zu suchen. «Es waren die Jäger, die uns auf diese Gelegenheit aufmerksam machten», betont Hannes Schumacher. Mit ihnen besteht überhaupt eine gute Zusammenarbeit; man hat erkannt, dass man oft die gleichen Ziele verfolgt. «Nur in der Sache Wolf, der am Calanda grad ennet der Grenze zum Bündnerland 2012 und 2013 seine Jungen aufgezogen hat, ist man sich bisher noch nicht einig geworden», schmunzelt Schumacher. Auch mit den Fischern soll nun eine gute Zusammenarbeit gesucht werden.

Die beiden Ko-Präsidenten sind sich einig: Für den Erfolg eines Vereins ist es entscheidend, dass sich möglichst viele Mitglieder aktiv engagieren können. Wer erst Grundkenntnisse hat, wird in einfachere Aufgaben wie die Überwachung einzelner, gut bekannter Vogelarten eingebunden. Mitglieder mit fundierterem Fachwissen haben Gelegenheit, sich für Lebensraumaufwertungen oder Artenförderungsprojekte einzusetzen. «Nur so wird es uns gelingen, die Leute langfristig bei der Stange zu halten», sind sich die beiden sicher.

 

Dr. Daniela Pauli und Lisa Bose sind Redaktorinnen von Ornis. 

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