Beschleunigungserlass: Kommission des Ständerats macht auf Populismus

Umweltpolitik. Effiziente, also schnelle und qualitativ gute Verfahren zur Bewilligung von Projekten der Erneuerbaren Energien sind sehr im Interesse der Naturschutzorganisationen. Solche Verfahren fordert die Umweltallianz schon seit Jahren. Vor gut zwei Jahren haben wir nachgedoppelt und das Szenario «Sichere Schweizer Energieversorgung 2035» präsentiert. Es enthält realistische Vorschläge zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren. Die zuständige Ständeratskommission will nun jedoch im Beschleunigungserlass keinen dieser konstruktiven Vorschläge aufnehmen. Im Gegenteil: sie hat sich für einen Kahlschlag gegen den Rechtsstaat und die Natur ent­schieden.


Raffael Ayé

06.12.2024, Ornis 6/24

Nur vier Monate nach dem deutlichen Ja des Schweizer Stimmvolks zum Stromgesetz, das auch BirdLife als Kompromiss unterstützt hat, bricht die Ständeratskommission nun mit wichtigen Versprechen. In der parlamentarischen Diskussion wurde betont, dass das Verbandsbeschwerderecht erhalten bleibt, und auch im Abstimmungsbüchlein stand dieses Versprechen explizit drin. Dass die Ständeratskommission ohne Not dieses Versprechen brechen will, schädigt das Vertrauen in die Demokratie. Erneut muss gesagt werden: Die Naturschutzorganisationen setzen das Verbandsbeschwerderecht sehr zurückhaltend ein. In drei Vierteln der Fälle führen Beschwerden zu einer Verbesserung für die Natur. Das zeigt, dass die Beschwerden gerechtfertigt sind. In den meisten Fällen werden Projekte dadurch verbessert und können in verbesserter Form umgesetzt werden. Ohne diese Beschwerden würden gesetzeswidrige Projekte umgesetzt. Und gesetzeswidrige Projekte können in niemandes Interesse sein.

Die Naturschutzorganisationen hatten ihre Zustimmung zu vernünftigen Massnahmen zur Beschleunigung der Verfahren – z. B. einer Reduktion der Anzahl Instanzen sowie separater Verfahren und zu kurzen Behandlungs­fristen – kommuniziert. Warum die Ständeratskommission trotzdem einen Kahlschlag beim Rechtsstaat anstrebt, ist völlig unverständlich. Aber nicht nur beim rechtsstaatlich wichtigen Verbandsbeschwerderecht, sondern auch bei der Natur, schlägt die Kommission einen Kahlschlag vor. So sollen in Zukunft die Projektierenden von Energie­anlagen keine Ersatzmassnahmen für zerstörte Biodiversität mehr durchführen müssen, sondern nur noch Geld in einen Fonds einbezahlen. Die aufwendige Arbeit der Planung, der Verhandlung mit GrundeigentümerInnen und der Umsetzung der Massnahmen würde damit den kantonalen Naturschutzfachstellen überbürdet, die bereits heute unter Personalmangel leiden. Das wäre eine eklatante Verletzung des Verur­sacherprinzips, und in vielen Fällen gleichbedeutend mit der Abschaffung der ökologischen Ersatzmassnahmen.

Weitere Einschränkungen des Zugangs zu Gerichten und der Möglichkeit der Gerichte, Projekte umfassend und unabhängig zu überprüfen, eine weitere Verschlechterung in der Planung von Solar- und Windprojekten sowie die Verlängerung des Solarexpresses, obwohl mit dem Stromgesetz jetzt ein rechtsstaatlich besser abgestütztes Instrument besteht, vervollständigen das Bild einer völlig missratenen Gesetzes­vorlage.

Warum die Ständeratskommission derart verantwortungslose und unausgereifte Vorschläge in die Diskussion wirft, ist unklar. Will sie damit nur provozieren, um den Diskursrahmen zu verschieben? Das ist eine oft genutzte Taktik des Populismus. Der Schweiz, des Ständerates und den wichtigen Themen Rechtsstaat und Natur ist sie absolut unwürdig.

Weitere Informationen: bit.ly/Verfahrensbeschleunigung

Der Geschäftsführer Dr. Raffael Ayé fasst hier die Haltung von BirdLife Schweiz zu politischen Fragen zusammen.

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